Für eine klare Sicht
Während wir alle sonnige, warme Tage schätzen, können diese Wetterbedingungen unseren Fahrzeugen Schwierigkeiten bereiten. So können sich unbeachtete Steinschläge in der Windschutzscheibe durch die Auswirkungen von Hitze sowie Temperaturschwankungen verschlimmern und im schlimmsten Fall zu einem Riss führen, der potenziell die strukturelle Integrität der Windschutzscheibe bedroht. Warum eine rechtzeitige Steinschlagreparatur nicht nur den Geldbeutel schont, sondern auch die CO2-Emissionen reduziert, erklärten die Experten von Carglass auf einer Fachkonferenz im „European Technology Center“ in München. Auch ein Einblick in die Zukunftsstrategie des Autoglas-Spezialisten sowie in die Themenbereiche Scheibentausch sowie Rekalibrierung von Fahrerassistenzsystemen (Advanced Driver Assistance Systems, kurz: ADAS) wurde hier gewährt.

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Oft unbemerkt prallen kleine Steine oder ähnliche Objekte mit hoher Geschwindigkeit auf die Windschutzscheibe eines Fahrzeugs. In der Folge können winzige Risse oder Krater auf der Oberfläche der Scheibe entstehen, sogenannte Steinschläge. Entscheidend ist, einen Steinschlag so früh wie möglich zu identifizieren und instand setzen zu lassen. Die Reparatur einer Windschutzscheibe verursacht dabei rund 80 Prozent weniger CO2-Ausstoß im Vergleich zum Einbau einer neuen Scheibe, wie Carglass-Geschäftsführer Jean-Pierre Filippini auf der Fachkonferenz in München erklärte.
Demnach entstehen bei der Produktion und dem Einbau einer neuen Scheibe durchschnittlich 82,3 Kilogramm CO2 unter Berücksichtigung der Verwertung des Glasabfalls und der Lieferwege. Im Gegensatz dazu werden bei der Reparatur nur 16,4 Kilogramm CO2 freigesetzt. Diese Einsparung von circa 66 Kilogramm entspricht etwa den Pro-Kopf-Emissionen eines Kurzstreckenflugs von London nach Paris. Dies belegen aktuelle Berechnungen, die vom renommierten Institut „Bureau Veritas“ nach den Anforderungen der ISO-Norm 14067 verifiziert wurden. Die Berechnungen berücksichtigen die Stationen entlang des gesamten Lebenszyklus einer Scheibe. Darunter fallen die Beschaffung der Rohmaterialien, Herstellung, Lagerung sowie Transport, Montage und das Recycling der ausgetauschten Scheibe. „Wir sind sehr stolz, darauf, dass wir den Unterschied, den wir für unsere Kunden und Partner machen, auch im Kontext der Nachhaltigkeit dokumentieren können. Der Repair-First-Ansatz spart nicht nur Arbeitszeit und senkt die Instandsetzungs- kosten – er zeigt, dass Nachhaltigkeit als essenzieller Bestandteil in unserem Geschäftsmodell immer verankert ist. Durch die Priorisierung auf nachhaltige Reparaturleistungen sparen wir mehr als 3.200 Tonnen Glas jährlich ein“, so Jean-Pierre Filippini.
Komplexere Windschutzscheiben
Auch im Hinblick auf den stetig komplexer werdenden Aufbau einer Windschutzscheibe ist der sogenannte Repair-First-Ansatz von Carglass, bei der eine mögliche Reparatur vor einem Austausch steht, die richtige Strategie: Obwohl sich die Ausgangsprodukte für eine Windschutzscheibe nur wenig von denen anderer Glasarten unterscheiden, entsteht aus der fein abgestimmten Mischung der Rohstoffe unter Wasserzugabe sowie starker Hitzezufuhr ein Glas. In der Regel werden für Windschutzscheiben zwei Glasschichten durch eine Folie aus Polyvinylbutyral verbunden und so zu einem Verbundsicherheitsglas (VSG) zusammengefügt. Dieser Aufbau verhindert, dass sich zum Beispiel bei einem Steinschlag oder Unfall Scherben lösen oder Teile von außen mit Wucht in die Fahrgastzelle dringen. Doch zunehmend ergänzen funktionale Beschichtungen den Windschutzscheibenaufbau, um beispielsweise die Witterungsbeständigkeit zu erhöhen, zur schnellen Enteisung beizutragen, oder allgemein zur Komfortsteigerung im Innenraum des Fahrzeugs. Laut Analysen von Carglass ermöglicht die moderne Windschutzscheibentechnologie bis zu 20 und je nach Modellgeneration sogar mehr Funktionalitäten – vom Head-up-Display über den Regensensor bis zum kamerabasierten Spurhalteassistenten oder dem Abstandswarner.
Um für das immer komplexer werdende Produkt Fahrzeugscheibe sowie die damit einhergehenden Anforderungen für eine fachgerechte Reparatur beziehungsweise einen entsprechenden Scheibentausch inklusiver Rekalibrierung von Fahrerassistenzsystemen gewappnet zu sein, betreibt Carglass seit 2019 einen dedizierten Forschungs- und Entwicklungsstandort in München, der 2021 zum „European Technology Center“ ausgebaut wurde. Europaweit nimmt der Tagungsort für die diesjährige Carglass-Fachkonferenz die Funktion des Innovators und Impulsgebers innerhalb des Mutterkonzerns Belron ein, erläutert Alexander Kern, der seit Februar dieses Jahres neuer Sales Director sowie Mitglied der Geschäftsleitung bei Carglass ist. So werden hier, wenn nicht gerade eine Fachkonferenz stattfindet, hochpräzise Fehleranalysen unter Laborbedingungen erstellt, neue Technologien getestet, die dynamische und statische Kalibrierung wird weiterentwickelt und eine interne Wissensdatenbank gepflegt, von der zukünftig das gesamte Unternehmen auch europaweit profitiert.
Notwendigkeit einer Rekalibrierung
Seit dem 7. Juli 2024 greift eine neue EU-Vorgabe, nach der bestimmte Fahrerassistenzsysteme wie Notbrems- und Spurhalteassistent in allen Neuwagen Pflicht werden. Wenn dann einmal die Scheibe getauscht werden muss, ist die Rekalibrierung der Frontkamera unerlässlich, damit alles sicher und ordnungsgemäß funktioniert. Welche Bedeutung die fachmännische Rekalibrierung hat, verdeutlichten die Experten von Carglass an einem Beispiel: Weicht der Kamerawinkel bei einem Spurhalteassistenten um ein Grad ab, führt dies auf 100 Metern zu Abweichungen bis zu 1,75 Meter und stellt damit ein Sicherheitsrisiko dar. Daher erhalten Kunden bei Carglass zusätzlich zu ihrer Rechnung eine schriftliche Bescheinigung der erfolgreichen Kalibrierung. Diese liefert im Falle eines Unfalls einen wertvollen Nachweis, um falsch eingestellte Fahrerassistenzsysteme als Ursache auszuschließen.

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Um den Teilnehmern der Fachkonferenz einen detaillierten Einblick zu geben, wie ein Scheibentausch samt statischer Kalibrierung an einem modernen Fahrzeug funktioniert und welcher Aufwand damit verbunden ist, haben Matthias Wittenberg (Leiter des KeyAccount-Teams) und ADAS-Experte Christian Cser einen Windschutzscheibentausch an einem Tesla Model 3 live kommentiert. Bereits bei den Vorbereitungen für die Entfernung der bisherigen Windschutzscheibe konnte man erahnen, dass eine solche Prozedur nicht nur einige Zeit in Anspruch nehmen würde, sondern auch einiges an Know-how erfordert: So mussten zahlreiche Verblendungen und Verbindungen gelöst werden, bis überhaupt daran zu denken war, die Scheibe mittels Ezi-Wire-System vom Rest des Fahrzeugs zu trennen. Das patentierte Ezi-Wire-System schneidet hierbei gleichzeitig auf den gegenüberliegenden Seiten durch den Kleber – ohne dabei die Scheibe oder das Fahrzeug zu beschädigen. Sind die beschädigte Scheibe und die Klebereste entfernt, kann die Windschutzscheibe selbst von nur einem Monteur mithilfe der Kombination von 1-Tek- und Multi-Lifters-System an die richtige Stelle gehoben werden. Besonders das fast mühelos wirkende „Schweben“ der Windschutzscheibe ist nicht nur beeindruckend, sondern hat auch einen ernsten Hintergrund. Denn nicht nur die Komplexität einer Windschutzscheibe nimmt zu, es werden auch immer größere Windschutzscheiben verbaut. Solche Systeme, zu denen auch spezielle Arbeitstische zählen, sind daher auch Teil des Arbeitsschutzes und sie entlasten am Ende den Monteur.
Bevor die neue Scheibe eingesetzt werden konnte, mussten Teile der Fahrerassistenzsysteme des Model 3 von der bisherigen auf die neue Windschutzscheibe montiert und es musste ein neu entwickelter Kleber auf die Scheibe aufgetragen werden. Danach konnte – in umgekehrter Reihenfolge – die neue Windschutzscheibe an die zuvor genau markierte Stelle der alten Scheibe platziert und die zahlreichen Anbauteile konnten wieder montiert werden. Damit ein Eindruck entsteht, wie hoch der zeitliche Aufwand allein für den Scheibenaustausch ist: Zwei erfahrene Monteure brauchten in etwa eine Stunde. Doch damit nicht genug: Nach dem Scheibentausch folgte die Rekalibrierung der Fahrerassistenzsysteme und wie viele andere Tätigkeiten einer Kfz-Werkstatt (ob Reparatur oder Wartung) erfordert auch dies den Zugriff auf den Datenstrom des Fahrzeugs über den On-Board-Diagnose-Anschluss (OBD-Port). Einige Fahrzeughersteller haben begonnen, den Zugang dazu durch technische Hürden und die Einführung von Lizenzgebühren zunehmend zu erschweren. Dies verursacht unnötige Kosten in den Betrieben und beeinträchtigt den freien Wettbewerb auf dem Kfz-Servicemarkt. Außerdem schränkt es die Wahlfreiheit der Verbraucher – bei potenziell steigenden Kosten – ein, wie Florian Merker (Group Legal Counsel bei Carglass) bei seinen Ausführungen zu der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Landgerichts Köln bezüglich der sogenannten Secure Gateways erklärte. Das Urteil des EuGH, das zugunsten fairer und ausgeglichener Wettbewerbsbedingungen auf dem Kfz-Servicemarkt ausfiel, berücksichtigte auch die Bedeutung des Themas Cybersicherheit. Mit seiner Entscheidung bestätigte das Gericht auch die Auffassung von ATU und Carglass, die gemeinsam gegen Fiat Chrysler eine Klage eingereicht hatten, um zu erreichen, dass Fragen der Cybersicherheit von den Fahrzeugherstellern angemessen gehandhabt werden können, ohne dem Kfz-Servicemarkt Einschränkungen aufzuerlegen. An die Stelle der Secure Gateways soll nun die „Security-Related Vehicle Repair and Maintenance Information“ (SERMI) treten. Sie basiert auf einem EU-weit einheitlichen Akkreditierungs- und Zertifizierungsschema, wodurch die Registrierung bei jedem einzelnen Fahrzeughersteller entfällt.
Für die statische Rekalibrierung der Fahrerassistenzsysteme, die bei der Fachkonferenz gezeigt wurde, setzt Carglass auf die Rekalibrierungstechnologie von Bosch. Ein wesentliches Merkmal stellt dabei das neu entwickelte digitale Kamerasystem dar, das die genaue Position des Fahrzeugs erkennt und die geschulten Monteure durch jeden Schritt des Einstellungsprozesses führt. Außerdem wird die Software regelmäßig aktualisiert und die Tafeln für die Rekalibrierung sind gegenüber anderen Systemen vergleichsweise kompakt. Den Abschluss der Gesamtprozedur bildet eine sogenannte Rekalibrierungsfahrt, auf der sich die Systeme selbstständig hinsichtlich der Herstellervorgabenneukalibrieren.DieFahrt,die auch mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann und genauen Parametern folgt, wurde in einigen Filmsequenzen präsentiert, wodurch sich für die Teilnehmer ein ganzheitliches Bild bezüglich des Scheibentauschs samt Rekalibrierung und den damit verbundenen Aufwänden ergab.

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