Leasing bleibt „peoples business“
Inflation und Kostensteigerungen, Fachkräftemangel, Klimawandel – allesamt Stichworte, welche die letzten Monate prägten. Wie wird in Fuhrparks damit umgegangen? Steht die Kostensenkung im Fokus? Oder ist gerade jetzt der Zeitpunkt gekommen, um mit klugen Investitionen auf einen neuen, zukunftsträchtigen Kurs einzuschwenken? Dabei ist nicht nur das Wohin entscheidend, sondern auch das Wie, wenn es darum geht, die Krisenbewältigung mit einem echten Fortschrittssprung zu verbinden. Oftmals wird in diesem Zusammenhang die Digitalisierung von Geschäftsprozessen genannt, welche als Allheilmittel für die gegenwärtigen Entwicklungen herhalten soll. Doch wie ist es im Bereich des Fahrzeugleasings um den „digitalen Quantensprung“ bestellt? Flottenmanagement hat sich einmal bei den Leasingunternehmen umgehört.

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Laut Erhebungen des Arval Mobility Obervatory Fuhrpark-Barometers 2023 (kurz: AMO 2023) ist das Leasing (operatives Leasing und Finanzleasing) mit rund 60 Prozent die führende Beschaffungsform in deutschen Fuhrparks. Geht man hierbei ins Detail und schaut sich die bevorzugten Auswahl- und Bestellverfahren an, wird der persönliche Kontakt, aber auch der digitale Prozess gleichermaßen geschätzt: So gaben 35 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen (kurz: KMUs) laut der Erhebung des AMO 2023 an, dass der rein persönliche Kontakt bei der Fahrzeugbeschaffung bevorzugt wird. Im Vergleich zur Vorjahreserhebung ist dies ein Rückgang von sechs Prozent. Knapp die Hälfte (45 Prozent) setzt auf einen hybriden Prozess – also eine Mischung aus digitalem und persönlichem Auswahlbeziehungsweise Bestellverfahren. Hierbei ist die bevorzugte Variante: Fahrzeuge digital auswählen und dann persönlich vor Ort bestellen (31 Prozent). Im Vergleich zum Vorjahr (11 Prozent) entscheiden sich mehr KMUs für einen rein digitalen Beschaffungsprozess (18 Prozent). Hier sind auch die kleineren Unternehmen Vorreiter: 23 Prozent nutzen den digitalen Auswahl- und Bestellprozess. Im AMO 2022 entschieden sich dafür lediglich 9 Prozent. Als Begründung dafür geben 56 Prozent der Befragten Zeitersparnis an und 40 Prozent empfinden den digitalen Prozess als unkomplizierter und komfortabler.
Inwieweit digitale Angebote von Kunden bevorzugt werden, hängt einerseits von der Kundenstruktur ab und andererseits von der Beschaffungsform. „Grundsätzlich ist hier zwischen Privatkunden und gewerblichen Kunden zu unterscheiden. Bei Privatkunden ist die Digitalisierung im Leasing mit den anderen Beschaffungsformen zu vergleichen. Zum Beispiel bieten wir als Volkswagen Financial Services unseren Privatkunden das Onlineleasing bereits seit einigen Monaten über ausgewählte Webshops für Elektrofahrzeuge der Konzernmarken an. Gleiches gilt für die Onlinefinanzierung. Die Komplexität des Großkundengeschäfts (Konditionen, Handelsregisterauszüge, Bonitätsprüfungen, Zeichnungsberechtigungen et cetera) führt zu größeren prozessualen Herausforderungen, weswegen hier der digitale Leasingvertragsabschluss noch nicht vollumfänglich umgesetzt werden kann“, erläutert Ralf Weichselbaum, Leiter Vertrieb an Key Accounts und Sonderzielgruppen der Volkswagen Leasing GmbH.
Dass der Grad der Digitalisierung im Großkundenbereich keineswegs den Höhepunkt erreicht hat, diese aber stetig weiter voranschreitet, stellt Eva Rothe, Commercial Director, bei Arval Deutschland, fest: „Gerade im Geschäftskundenbereich (B2B) lässt sich in den letzten Jahren für alle Finanzierungsformen eine zunehmende Digitalisierung feststellen. Das beginnt schon beim Beschaffungsprozess. Von der Fahrzeugauswahl über das Onboarding bis hin zur Vertragsunterzeichnung bieten wir bei Arval unseren Kunden heutzutage digitale Möglichkeiten, beispielsweise die Fahrzeugauswahl über unsere Website und den Car-Konfigurator. Auch Services, die während der Vertragslaufzeit in Anspruch genommen werden, sind in der Regel digital möglich. So können unsere Kunden zum Beispiel online Termine in Partnerwerkstätten für Reparaturen oder den Reifenwechsel buchen oder Schadenmeldungen über die App tätigen. Auch die Über- oder Rückgabe eines Fahrzeugs ist mittlerweile mithilfe digitaler Übergabebeziehungsweise Rückgabeprotokolle bei der Begutachtung des Fahrzeugs möglich. Im Privatkundenbereich (B2C) lassen sich in Bezug auf den Digitalisierungsgrad kaum Unterschiede zwischen den einzelnen Beschaffungsformen feststellen. Hier haben Anbieter schon früh auf digitale Modelle gesetzt.“
Die Komplexität des Großkundengeschäfts stellt dabei eine enorme Herausforderung dar, aber es gibt weitere Herausforderungen, die bei der digitalen Transformation des Leasinggeschäfts eine wichtige Rolle spielen. So sind Kunden bereits im privaten Umfeld an viele digitale Prozesse gewöhnt, wie das sogenannte One-Stop-Shopping-Erlebnis, und möchten diese auch im Leasingbereich nutzen, ohne möglicherweise die Herausforderungen abschätzen zu können, die damit einhergehen. „Die Digitalisierung ermöglicht uns, das Leasing und insbesondere unsere Fuhrparkmanagementdienstleistungen um zusätzliche Services zu erweitern. Die Herausforderungen bestehen darin, mit den wachsenden Ansprüchen Schritt zu halten, Prozesse möglichst einfach abzubilden, und das in einem möglichst hohen Tempo. Ein Beispiel bei uns kommt aus dem Transporterbereich und nennt sich Predictive Maintenance. Dabei handelt es sich um ein Angebot an Kunden, um die vom Hersteller vorgegebenen Serviceintervalle einzuhalten. Insbesondere Servicefahrzeuge sollen so wenig wie möglich Stand- oder Ausfallzeiten haben und bei der vorausschauenden Instandhaltung liegt der Vorteil für den Kunden in der optimalen Planbarkeit. LeasePlan kann anhand von Daten wie der durchschnittlichen Kilometerleistung pro Tag oder Kilometerstandsmeldungen bei Betankungen den voraussichtlichen Wartungsverlauf vorhersehen und eine zeitliche Prognose erstellen. Die große Herausforderung besteht bei allen digitalen Möglichkeiten im Datenschutz, denn natürlich halten wir uns ganz klar an die bestehenden Vorgaben des strengen deutschen Datenschutzes“, gibt Christopher Schmidt, Commercial Director bei der LeasePlan Deutschland GmbH, zu verstehen.
Die Datenschutzrichtlinien führt auch Ömer Köksal, Sprecher der Geschäftsführung der Allane Mobility Consulting GmbH, als eine der größten Herausforderungen bei der digitalen Transformation an. Er sieht in der Vergleichbarkeit der verschiedenen Leasingangebote aber einen weiteren Stolperstein: „Wir haben im Leasinggeschäft bereits einen hohen Grad der Digitalisierung erreicht. Herausfordernd sind aber die umfangreichen Datenschutzrichtlinien in Deutschland, die den Fortschritt insbesondere im Privatkundengeschäft limitieren. Im Gewerbekundenleasing können wir digitale Möglichkeiten hingegen wesentlich besser und schneller nutzen – sei es für Marketingzwecke oder für die Einführung von Apps. Zudem stellt die Vergleichbarkeit der verschiedenen Leasingangebote für uns und unsere Kunden eine große Herausforderung dar. Es existieren zahlreiche Wettbewerber im Markt, die das – auf den ersten Blick – gleiche Fahrzeug zu sehr unterschiedlichen Konditionen online bewerben. Diese digitalen Angebote variieren stark – aufgrund der Vielzahl von Parametern wie unterschiedlichen Ausstattungsmerkmalen, verschiedenen Schlussraten et cetera. Es ist für Kunden daher nicht einfach, das für ihre Bedürfnisse beste Angebot zu finden. Diesem Problem könnte durch die verpflichtende Angabe eines Leasingfaktors begegnet werden, der die Leasingrate ins Verhältnis zum Kaufpreis setzt.“

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Einigkeit unter den befragten Leasingunternehmen herrscht bei der Herangehensweise, um diesen Herausforderungen zu begegnen und die digitale Transformation auch im Leasingbereich fortschreiten zu lassen. So führt Fabian Kölle, Manager Digital & Customer Touchpoints bei Alphabet Deutschland, an, dass es zunächst einmal wichtig sei, die Bedürfnisse der Kunden genau zu kennen, zu verstehen und die Anforderungen entsprechend umzusetzen: „Digitale Tools müssen leicht zu bedienen sein und sich einfach in die bestehenden Unternehmensstrukturen integrieren lassen. Daher setzen wir bei vielen unserer Lösungen wie unserem Online-Konfigurator oder auch dem digitalen Reporting auf webbasierte Tools. Bei der Entwicklung unserer Produkte und Services stehen unsere Kunden im Mittelpunkt. So freuen wir uns über Kundenfeedback und hinterfragen jede Supportanfrage, inwieweit wir Funktionen und Prozesse verbessern können. Außerdem beziehen wir unsere Kunden aktiv in die Anforderungsdefinition ein, zum Beispiel durch Interviews, Studien oder Befragungen im Rahmen des sogenannten BetaTestings.“ Das Know-how für die Umsetzung einer digitalen Kundenlösung findet sich oftmals bei sogenannten Digital Natives, sprich Startups und Innovationshubs, die nicht in traditionellen Prozessen denken, sondern Prozesse von Grund auf neu denken – in digitaler Form. „Viele unserer digitalen Lösungen, Produkte und Services entwickeln wir gemeinsam mit der vent.io, der digitalen Innovationseinheit der Deutschen Leasing Gruppe. Die größte Herausforderung für Leasinggesellschaften ist, dass diese traditionell mit sehr vielen und unterschiedlichen Partnern zusammenarbeiten. Kunden erwarten – zum Beispiel im Bereich der Beschaffung – einheitliche Lösungen und Full-Service-Dienstleistungen, die ganzheitlich digital angeboten werden – von der Wartung bis zur Kfz-Steuer“, erklärt Frank Hägele, Mitglied der Geschäftsleitung Geschäftsfeld Mobility Vertrieb der Deutschen Leasing AG.
Ausblick Schnellere Reaktionszeiten, Fehlerreduzierung und Kosteneffizienz: Digitale Prozesse bringen diverse Vorteile mit sich. Zudem sorgen mehr Qualität und eine Steigerung der Effizienz für eine höhere Kundenzufriedenheit. Daher werden Leasingunternehmen auch in Zukunft nicht untätig bleiben und ihre Prozesse mithilfe von Digitalisierung und Automatisierung in verschiedenen Bereichen beständig optimieren. „Für die Zukunft lässt sich festhalten: Prozesse werden weiterhin automatisiert werden und auch der digitale Leasingprozess wird immer weiter Realität werden. Auch wenn Chatbots und künstliche Intelligenz weiterhin an Bedeutung gewinnen, werden wir bei einem volldigitalen Prozess weiterhin auf eine persönliche Beratung und Betreuung setzen. Die neuen Technologien optimieren dabei die Tätigkeiten des Kundenberaters von morgen“, wie Eva Rothe zu verstehen gibt. Auch Frank Hägele glaubt nicht daran, dass digitale Lösungen die persönlichen Kundenberater zukünftig ersetzen könnten: „Die Digitalisierung wird weiter zunehmen und die bereitgestellten Budgets werden sich deutlich erhöhen. Die Kundenkommunikation lässt sich durch künstliche Intelligenz und Chatbots sicherlich vereinfachen. Die Bedeutung des persönlichen Kundenberaters ist jedoch unverändert sehr hoch.“ Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Kundenanforderungen und -bedürfnisse gerade im gewerblichen Leasingbereich differenzieren: „Das Großkundengeschäft wird auch in der Zukunft ein ‚peoples business‘ bleiben, das von persönlichen Kontakten geprägt sein wird. Schon allein aufgrund der großen Heterogenität der verschiedenen Unternehmen, ist eine ‚One size fits all‘-Lösung ohne persönliche Kommunikation schwer vorstellbar. Unabhängig davon wird die Digitalisierung bei der Beschaffung und bei der Abwicklung deutlich zunehmen. Auch künstliche Intelligenz wird bei der Optimierung von Fuhrparkprozessen und der Optimierung des Mobilitätsmanagements eine größere Rolle spielen“, wie Ralf Weichselbaum abschließend zu verstehen gibt.

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