Geschäftsreiseklima
<p>Eine Weisheit, die man seit Beginn der Corona-Pandemie immer wieder hört, ist, dass eine Krise immer auch eine Chance sein kann. Übertragen auf die Unternehmensmobilität bedeuten Kontaktbeschränkungen, Homeoffice und Videokonferenzen einen drastischen Rückgang des Mobilitätsbedarfs. Die Chance für die Unternehmen in dieser Krise besteht darin, das Mobilitätsverhalten insgesamt kritisch zu hinterfragen und neu zu gestalten. Spannend ist daher die Frage, was Mobilitätsmanager und die Dienstreisebranche für 2021 erwarten.</p>

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Der Pkw im Trend
Der Verband Deutsches Reisemanagement e. V. (VDR) veröffentlicht seit Juli 2020 alle 14 Tage ein Stimmungsbild der deutschen Wirtschaft zum Thema Geschäftsreisen. Diese VDR-Barometerumfragen zu den Auswirkungen der Corona-Krise werden unter den Verbandsmitgliedern durchgeführt und geben ein aussagekräftiges Meinungsbild über die letzten Monate hinweg ab. Dabei zeigen die Unternehmen eine recht homogene Einstellung zur Reisepolitik: Seit Beginn der VDRUmfragen sind Geschäftsreisen in über 90 Prozent der befragten Unternehmen nur mit einem triftigen Grund erlaubt. Mit dem zweiten Corona-Lockdown Anfang November 2020 stieg der Wert auf 97,5 Prozent der Befragten an. Wenn eine Dienstreise jedoch nicht zu vermeiden ist, dann wird immer häufiger auf den Pkw zurückgegriffen. Ein Trend, der zwischen Juli und November laut der genannten Umfrage sogar noch zugenommen hat. 75,3 Prozent der Befragten gaben an, dass sie aufgrund der Corona-Krise für innerdeutsche Reisen verstärkt auf das Automobil zurückgreifen. Ein Wert, der sich auch mit dem Umfrageergebnis der Flottenmanagement-Onlineumfrage aus Ausgabe 5/2020 deckt. Man kann daher zu Recht von einer kleinen Renaissance des Dienstwagens sprechen.
Ausblick 2021
Einer der großen Verlierer in der Corona-Pandemie ist der Flugverkehr. Nur 1,2 Prozent gaben laut VDR an, dass sie häufiger auf das Flugzeug ausweichen werden. Im Gesamtjahr 2020 kalkuliert der Dachverband der Fluggesellschaften, die International Air Transport Association (IATA), mit einem Nachfragerückgang von 66 Prozent, im kommenden Dezember sogar von 68 Prozent. Ursprünglich ging man von einer Nachfrageerholung im vierten Quartal 2020 aus. Laut dem Verband gibt es auch kaum Hinweise auf eine Besserung im ersten Halbjahr 2021. Den Fluggesellschaften und Flughäfen, wie dem gerade neu eröffneten Berliner Flughafen (BER), droht also eine schwere Zeit auch über den November-Lockdown hinaus.
Dabei sollte erwähnt werden, dass Fliegen an sich keine erhöhte Ansteckungsgefahr birgt. Dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e. V. (BDL) zufolge ist das Flugzeug sogar das öffentliche Verkehrsmittel mit dem geringsten Infektionsrisiko. Die IATA untermauert das mit Zahlen: So seien weltweit lediglich 44 Fälle einer Ansteckung im Flugzeug bekannt. Das entspreche einem von 27,3 Millionen Reisenden. Als Grund für die hohe Sicherheit geben die Verbände neben wirksamen Hygienekonzepten an Bord und am Boden die saubere Kabinenluft an. Alle drei Minuten gebe es einen vollständigen Luftaustausch, ein Hepa-Filter entferne zudem zuverlässig Viren und Bakterien, so der BDL.
Dass die Auswirkungen der Krise auf die Luftfahrtbranche nachhaltig sein können, dafür spricht auch, dass die meisten Unternehmen die Reiserichtlinien überarbeiten und die Notwendigkeit von Reisen sorgfältiger überprüfen werden. Diese Unternehmenspolitik halten zumindest 43,9 Prozent der vom VDR befragten Unternehmen für „sehr wahrscheinlich“. Zudem gehen 30,6 Prozent der Firmen inzwischen davon aus, dass die Corona-Krise über das erste Quartal 2021 hinaus andauern wird. Und 67,1 Prozent sind der Meinung, dass die Zahl der Geschäftsreisen um bis zu 30 Prozent abnehmen wird – und das unabhängig von der aktuellen Pandemie. Folgerichtig droht laut den Teilnehmern des VDR-Barometers eine Pleitewelle unter den Reisedienstleistern. Ein Szenario, das Anfang November 69,5 Prozent für sehr wahrscheinlich hielten.
Des einen Freud, des anderen Leid, wie es häufig heißt. Und so gibt es vor allem zwei Profiteure der Krise: die Umwelt und die IT-Branche. Während des ersten Lockdowns im ersten Quartal 2020 sank der CO2-Ausstoß europaweit um durchschnittlich fünf Prozent (Quelle: Dataforce) und in Verbindung mit der Erwartung, dass Reisen generell zurückgehen könnten, kann dies eine nachhaltige positive Entwicklung für die Umwelt sein.

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Der zweite Profiteur ist die IT-Branche: Unternehmen wie Google, Zoom, TeamViewer und Microsoft konnten durch die Zunahme an Videokonferenzen und digitalen Messeangeboten ein enormes Wachstum erreichen. Die Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens und der Arbeitswelt hat sich durch Kontaktverbote, Reiseeinschränkungen und neue Arbeitsabläufe enorm beschleunigt und wird in vielen Punkten nicht mehr auf den Stand vor der Pandemie zurückzudrehen sein.
Die Dienstreise als Auslaufmodell?
Der US-Technologieriese Amazon gab bei der Präsentation der Unternehmenszahlen nach Abschluss des dritten Quartals an, durch die strikte Reduzierung der Dienstreisen Kosten von rund einer Milliarde US-Dollar eingespart zu haben. Auch wenn diese Einsparungen durch die coronabedingten Verluste, beispielsweise durch die eingeschränkte Produktivität, relativiert werden müssen, so dürften doch einige Unternehmen angesichts solcher Einsparpotenziale nachdenklich werden. Bedeutet das nun das Ende der Dienstreisen? Was spricht nach wie vor für Geschäftsreisen
Auch wenn es angesichts der rasanten Pandemie-Entwicklung im November 2020 und der vorgestellten Prognosen und Einschätzungen der Verbände vielleicht anders erscheint, die Geschäftsreise wird auch in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle im Wirtschaftssystem spielen. Dafür spricht eine Reihe von Gründen, die statistisch jedoch schlechter zu erfassen sind. Zunächst spricht für die Dienstreise, dass ein Video-Call ein physisches Treffen nur schlecht, in manchen Fällen gar nicht, ersetzen kann. So lassen sich einige Aufgaben nur vor Ort lösen, beispielsweise wenn es um handwerkliche oder technische Dinge geht. Auch sollte das Zwischenmenschliche insbesondere bei einem Erstkontakt nicht unterschätzt werden. Wer ein Geschäft abschließt oder einen Vertrag unterzeichnet, der möchte in der Regel seinen Vertragspartner kennenlernen. Das geht am besten bei einem physischen Treffen. Hinzu kommen Messen und ähnliche Veranstaltungen, die eine Branche zusammenführen und ebenfalls nur mit erheblichen Abstrichen in die digitale Welt transferiert werden können. Bei einer Onlinemesse kommt es zu einer geringeren Interaktion zwischen den Teilnehmern und nur zu wenigen zufälligen Begegnungen mit potenziellen Kunden oder Kontakten. Daher werden nach der Pandemie auch solche Netzwerkveranstaltungen wieder stattfinden und Dienstreisen nötig machen.
Fazit
Die Reisebranche hat die Corona-Krise mit am härtesten getroffen. Vor allem der Flugverkehr ist zeitweise vollständig zum Erliegen gekommen. Es wird Jahre dauern, bis man wieder auf dem Niveau des Reiseaufkommens von 2019 angekommen ist. Zumal die Chance für Unternehmen, das Travelmanagement nachhaltiger und kosteneffizienter zu gestalten, verlockend ist. Digitale Treffen werden physische Meetings ergänzen und die Zahl der Dienstreisen vermindern. In welchem Maße dies geschieht, hängt nicht zuletzt vom weiteren Pandemie-Verlauf ab und lässt sich daher nur schwerlich vorhersagen.

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