Sind Fahrer bivalenter Antriebe größere Umweltsäue als PHEV-Fahrer?
<p>Harte Frage, die man vielleicht auch etwas anders hätte formulieren können. Im Verlauf des Artikels werden Sie, liebe Leser, verstehen, worum es geht. Zunächst einmal stellt sich die Frage, was eigentlich „bivalent“ bedeutet. Einigen fällt dabei vielleicht ein Bivalent , also die „von Chromosomen gebildete Struktur während der Meiose“ ein und wundern sich dann, warum dieser Begriff in einer Automobilfachzeitschrift fällt.</p>

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Heizungstechnikern unter Ihnen ist der Begriff ebenso geläufig, sagt er doch aus, dass zum Beispiel im Haus zwei Wärmeerzeuger für die Erzeugung von Warmwasser und/oder Heizungswärme installiert sind. Beispielhaft ausgedrückt: Gasheizung für die Wärme; Solaranlage für die Warmwassererzeugung.
Damit können wir die Brücke zum Automobil bauen. Hier sind es quasi zwei unterschiedliche Kraftstoffe, die für den Antrieb verwendet werden können. Geläufig sind hierbei die Kombinationen Benzin/Erdgas (auch bekannt als CNG – compressed natural gas) oder Benzin/Flüssiggas (auch bekannt als Autogas oder LPG –liquefied petroleum gas).
Welche Gemeinsamkeiten teilen sich Erdgas und Flüssiggas im Automobil? Neben der Tatsache, dass sie verhältnismäßig selten in neuen Autos vorzufinden sind, haben sie einen entscheidenden Vorteil gegenüber Benzin und Diesel: Sie verbrennen erheblich sauberer und sind damit deutlich umweltfreundlicher. Bereits bei Heizungen hat man dies in den 80er-Jahren in Deutschland erkannt und viele Häuslebauer zur Abkehr von Öl- und Kohleheizungen in Richtung Gasheizung aus Umweltgründen bewegt. Günstigere Brennstoffkosten und finanzielle Anreize in Form von Fördermaßnahmen machten den Wechsel schmackhaft, was zu einer deutlichen Zunahme und ebenso zu drastischen Weiterentwicklungen der Gasheizungen führte (oder haben Sie keine effiziente Gas-Brennwerttechnik im Haus?).
Aus Umweltgründen steuerlich gefördert wurden und werden auch CNG und LPG an der Zapfsäule, was diese Kraftstoffe preislich sehr attraktiv macht. So liegt der Preis für einen Liter LPG beispielsweise – je nach Region – zwischen 50 und 60 Cent. O. k., je nach Gasanlage und Fahrzeugtyp liegt der Verbrauch um circa 15 bis 30 Prozent über dem Benzinverbrauch, womit sich der Liter dann rechnerisch auf etwa 75 Cent verteuert. Das liegt aber noch immer gut 50 Cent unterhalb des Literpreises von E10 (je nach Uhrzeit noch mehr). Aus Umweltsicht wird bei Autogas der Ausstoß von Stickoxiden gegenüber einem Benzinmotor um 80 Prozent, der von unverbrannten Kohlenwasserstoffen um rund die Hälfte und die CO2-Emissionen werden um 16,4 Prozent reduziert. ABER: Wie auch schon bei den Gasheizungen werden für CNG- und LPG-Fahrer die steuerlichen Vorteile beim Kraftstoffpreis nun sukzessive abgebaut. Fördermittel für den nachträglichen Einbau einer LPG-Anlage im Auto gab und gibt es ebenso wenig wie Vorteile bei der Kfz-Steuer (trotz der oben genannten Umweltvorteile) oder für Dienstwagennutzer bei der Versteuerung des geldwerten Vorteils … im Gegensatz zum PHEV. Das plug-in hybrid electric vehicle (besser bekannt als Plug-in-Hybrid) erfreut sich aktuell unerwarteter finanzieller Anreize. Dienstwagennutzer versteuern nur 0,5 Prozent statt 1 Prozent des Bruttolistenpreises, Vater Staat und Hersteller liefern finanzielle Kaufanreize in Form von Innovationsprämien (bis zu 4.450 Euro vom Bund und noch mal bis zu 2.250 Euro netto vom Hersteller, abhängig vom Listenpreis), Zuschüsse für die Installation von Wallboxen und Vorteile bei der Kfz-Steuer, deren Höhe auch vom CO2-Ausstoß abhängt. Laut WLTP-Werten liegen die PHEV-Verbräuche bei sagenhaften 1,x bis 3,x Litern pro 100 Kilometer. Entsprechend lachhaft sind die CO2-Werte, mit ebensolchen Auswirkungen auf die Höhe der zu zahlenden Kfz-Steuer. Scheint so, als ob alle von dieser Technologie profitieren und hier maßgeblich zur Klimaverbesserung beitragen, oder
Die Praxis sieht jedoch in vielen Fällen leider anders aus. So müssen zunächst vor Aufnahme von PHEVs in der Dienstwagen-Policy einige wichtige Fragen zu den Themen Haftung, Versicherung, Installation von Ladestationen im Unternehmen, Auswahlkriterien zur Feststellung der Eignung des Mitarbeiters für die Bereitstellung eines PHEVs (Stichwort: Fahrprofil) und mögliche Malusregelungen bei deutlicher Überschreitung der WLTP-Herstellerangaben zur Kostenrisikominimierung geklärt werden. Ganz wichtig ist auch die Festlegung der Vorgaben für geeignete Lademöglichkeiten beim Mitarbeiter. Bei PHEVs mit größeren Reichweiten dauert der Ladevorgang gut zwölf Stunden. Die Belastung der einfachen Haushaltssteckdose ist dabei so hoch, wie wenn man über die gleiche Dauer einen Wasserkocher oder ein Bügeleisen nonstop laufen lassen würde. In dem Zusammenhang muss dann die Kostenfrage für die Installation eines geeigneten Anschlusses beim Mitarbeiter geklärt werden.

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Fuhrparkleiter-Leidensgenossen berichten dann von der ernüchternden Praxis: Zahlreiche Fahrer, die den E-Antrieb als Booster statt als Alternative zum Verbrenner nutzen. PHEVs, welche die Ladesäulen nur selten sehen. In manchen Fällen wurde zum Leasingende das Fahrzeug sogar mit original verpacktem Ladekabel zurückgegeben. Ökostrom immer und überall verfügbar? Das lassen wir mal unkommentiert. Kraftstoffkosten gehen durch die Decke, weil statt der theoretischen 3,3 Liter dann doch 14 Liter Super verbraucht wurden. Vorteile haben demnach nur Hersteller und Dienstwagennutzer. Alle anderen, inklusive der Umwelt, der die Technologie ja dienen soll, werden benachteiligt. Ironie: Alles das wird am Ende auch noch subventioniert. CNG- und LPG-Fahrer, die nachweislich umweltfreundlich unterwegs sind, blicken in die Röhre. Umweltpolitisch gehen wir hier in die falsche Richtung. Wie war doch gleich die eingangs gestellte Frage
AUTOR
Peter Insam ist seit nunmehr 27 Jahren im Einkauf für Betriebsmittel und Investitionsgüter unterwegs, von denen er seit 25 Jahren die Geschicke verschiedener nationaler und internationaler Fuhrparks gelenkt hat. Seit etwas mehr als einem Jahr ist er als Head of Corporate Procurement und zwischenzeitlich auch als Prokurist unter anderem für die knapp 700 Firmenfahrzeuge der Hays AG verantwortlich. Zuvor war er rund 10 Jahre für den Einkauf von Betriebsmitteln und Investitionsgütern für den Medizintechnik-Hersteller Maquet GmbH in Rastatt tätig. Hierzu gehörte auch die Leitung des Fuhrparks mit 350 Fahrzeugen am Standort Rastatt. Darüber hinaus sammelte er zahlreiche Erfahrungen im Rahmen von Auslandsaufenthalten in Frankreich und Australien.

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