Krank ans Steuer?
<p> Ist man krank(geschrieben), hindert einen das nicht grundsätzlich am Autofahren. Doch welchen Einfluss haben Medikamente, wann sollte beziehungsweise darf man sich nicht mehr hinters Steuer setzen? Und welche Pflichten hat der Fuhrparkleiter hier im Sinne der Halterhaftung?</p>

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Seit August 1998 ist die deutsche Fahrerlaubnis- Verordnung (FeV) die Nachfolgeregelung von Teil A (Zulassung von Personen zum Straßenverkehr) der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und somit Bestandteil des Verkehrsrechtes. In ihr ist die Zulassung von Personen im Straßenverkehr geregelt.
Beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) heißt es: „Die Erteilung einer Fahrerlaubnis wird versagt beziehungsweise abgelehnt, wenn der Antragsteller körperliche, geistige Mängel oder charakterliche Mängel wie Neigung zur Trunk- und Rauschgiftsucht aufweist oder die Prüfungen zur Erlangung einer Fahrerlaubnis nicht besteht.“
So weit, so gut. Was ist aber, wenn die Beschwerden oder Krankheiten erst nach Erteilung der Fahrerlaubnis auftreten
Bei einigen Erkrankungen sollte das Auto grundsätzlich stehen gelassen werden. Dazu zählen unter anderem Herz- und Kreislaufbeschwerden, neurologische Erkrankungen, Gleichgewichtsstörungen, Nierenschwächen, psychische Erkrankungen oder Drogensucht. Dementsprechend gibt es auch eine Liste an Medikamenten, unter deren Einfluss man besser nicht Auto fahren sollte. Das sind neben Antidepressiva oder Antiepileptika auch vermeintlich schwächere Präparate gegen Bluthochdruck und bei Allergien. Der Arzt sollte den Patienten in jedem Fall darauf hinweisen, er darf das Ganze aber nicht der Führerscheinstelle melden. Ausnahme: „Wenn unmittelbar Gefahr in Verzug ist“, sagt Ivo Grebe, Präsidiumsmitglied des Berufsverbandes Deutscher Internisten e. V. (BDI) und Gutachter für verkehrsmedizinische Fragen. Ein Beispiel: „Ein Patient steigt nach einem Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung ins Auto.“
Solche eindeutigen Fälle sind selten. Eher sind es Themen wie das Fahren mit dem eben bereits erwähnten Bluthochdruck. In Deutschland leiden Schätzungen zufolge rund 35 Millionen Menschen darunter, laut Deutscher Hochdruckliga e. V. (DHL) weiß das aber nur in etwa die Hälfte von ihnen. Ein großer Teil der Betroffenen dürfte eigentlich nicht mehr ans Steuer. Gemäß der Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung gilt man als nicht fahrtauglich, wenn der untere beziehungsweise diastolische Wert dauerhaft über 130 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) liegt. Schon bei einem unteren Blutdruckwert über 100 mmHg sollten die Patienten sich regelmäßigen Kontrolluntersuchungen unterziehen, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten, sagt Ivo Grebe. Vorsicht: Einige Grippemittel vertragen sich nicht mit Blutdrucksenkern. Die Folgen könnten Müdigkeit und Herzrhythmusstörungen sein, warnen Apotheker.

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Doch auch Inhaltsstoffe von vermeintlich harmloser Medizin wie Codein (häufig in Hustensaft), Dextromethorphan (in Mitteln gegen Reizhusten) oder Diphenhydramin (in Schlafmitteln sowie in Medikamenten gegen Übelkeit) können durch ihre Nebenwirkungen die Fahrtüchtigkeit einschränken. Ein extremes Beispiel: Der Wirkstoff Diclofenac (in Schmerzmitteln) in Kombination mit einem Benzodiazepin als Beruhigungsmittel kann gemäß ADAC-Ratgeber „Medikamente im Straßenverkehr“ die Reaktionsfähigkeit so stark herabsetzen, dass man in der nächsten Kurve einfach geradeaus weiterfährt.
Wenn also entsprechende Mittel eingenommen wurden, sollte das Auto besser stehen gelassen werden. Sonst und im Falle eines Unfalls bewegt man sich im Bereich des Strafrechts. Rechtsanwalt Lutz D. Fischer erklärt: „(…) Relevant sind vor allem Verkehrsdelikte unter Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss wie die Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB, die mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet wird. Kommt es zu einer Gefährdung von Verkehrsteilnehmern oder einem Unfall, kann auch eine Strafbarkeit gemäß § 315c StGB wegen Straßenverkehrsgefährdung vorliegen. Hier wird das Führen von Fahrzeugen in fahruntüchtigem Zustand sanktioniert, wenn zum Beispiel der Fahrer infolge von Alkoholoder Medikamentenkonsum nicht mehr dazu in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder grob verkehrswidrig und rücksichtslos die in der Strafvorschrift aufgezählten Verkehrsverstöße begeht.“ Und weiter: „Sofern hierdurch eine Leibes- oder Lebensgefahr für andere Menschen verursacht wird oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden, droht hier Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Bei fahrlässiger Tatbegehung oder fahrlässiger Verursachung der Gefahr wird die Tat immerhin noch mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet“, so Fischer.
Das Ganze ist juristisch jedoch nicht immer ganz einfach: Denn der Betroffene muss die Krankheit freiwillig nicht zugeben – hier gilt sein Schweigerecht als Beschuldigter. Das Gericht müsste in diesem Fall aufgrund des Verdachts der fehlenden Eignung eine Untersuchung eines Gutachters anordnen, um die Fahrtauglichkeit zu prüfen. Die Führerscheinstelle kann indes die sogenannte medizinisch- psychologische Untersuchung (MPU) anberaumen (in der Regel weitaus umfangreicher als die Gutachten, die das Gericht veranlasst), wenn Personen bei einer Verkehrskontrolle auffallen und Zweifel daran bestehen, dass sie aufgrund ihres geistigen oder körperlichen Zustands überhaupt fahren können.
Konsequenzen für den Fuhrparkleiter
Auch dem Fuhrparkleiter kann Ärger drohen, sollte sich der Dienstwagenfahrer trotz Untersagung des Arztes ans Steuer setzen. Lutz D. Fischer: „Der Fuhrparkleiter kann als sekundär Verantwortlicher gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB beziehungsweise § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG für strafrechtlich relevante Verstöße der Dienstwagennutzer als Fahrer herangezogen und selbst bestraft werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Fuhrparkmanager im konkreten Einzelfall Kenntnis davon hat, dass ein Fahrer Alkohol, Drogen oder Medikamente zu sich genommen hat, welche die Fahrtauglichkeit des Dienstwagennutzers beeinträchtigen, und dass dieser trotz vorliegender (vermuteter) Fahruntüchtigkeit seinen Firmenwagen auch nutzt.“ Ein Einschreiten des Fuhrparkmanagers könne aber wohl nur dann verlangt werden, wenn aufgrund von Ausfallerscheinungen beim Fahrer der konkrete Verdacht bestehe, dass der betroffene Dienstwagennutzer nicht mehr dazu in der Lage sei, den Firmenwagen ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer sicher zu führen, erläutert der Rechtsanwalt.
TIPP:
In der Anlage 4 zu § 11 FeV (www.gesetze-im-internet.de/fev_2010/anlage_4.html) sind Erkrankungen und Mängel, die die Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können, tabellarisch verzeichnet.
RECHTSPRECHUNG
Wie lange steht einem krankgeschriebenen Arbeitnehmer in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit ein Dienstwagen zur privaten Nutzung zu? Hierzu ein interessantes Urteil des Bundesarbeitsgerichts:
Räumt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Recht ein, den überlassenen Dienstwagen privat zu nutzen, stellt dies einen geldwerten Vorteil und Sachbezug dar. Der Arbeitnehmer kann nach § 275 Abs. 1 iVm. § 280 Abs. 1 Satz 1, § 283 Satz 1 BGB Nutzungsausfallentschädigung in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit verlangen, wenn ihm der Arbeitgeber das Fahrzeug vertragswidrig entzieht.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Bauleiter beschäftigt. Die Beklagte stellt ihm arbeitsvertraglich für seine Tätigkeit einen Pkw „auch zur privaten Nutzung“ zur Verfügung. In der Zeit vom 3. März 2008 bis einschließlich 14. Dezember 2008 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Sein Entgeltfortzahlungsanspruch endete zum 13. April 2008. Auf Verlangen der Beklagten gab er den Pkw am 13. November 2008 zurück. Die Beklagte überließ dem Kläger erst nach Wiederaufnahme der Arbeit am 18. Dezember 2008 wieder einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung. Der Kläger verlangt Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 13. November bis 15. Dezember 2008. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers war vor dem Neunten Senat ohne Erfolg. Die Gebrauchsüberlassung eines Pkw zur privaten Nutzung ist zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Damit ist sie regelmäßig nur so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber überhaupt Arbeitsentgelt schuldet. Das ist für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, für die keine Entgeltfortzahlungspflicht mehr nach § 3 Abs. 1 EFZG besteht, nicht der Fall.

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