Das Rad neu erfunden

<p> Mal ehrlich, an die Bereifung seines Firmenwagens denkt man in der Regel nur dann, wenn der allj&auml;hrliche Reifenwechsel ansteht. Dabei sorgen die Pneus ma&szlig;geblich f&uuml;r die Sicherheit beim Fahren, und zwar zu jeder Zeit. In Zukunft k&ouml;nnte es sogar sein, dass die Reifen des Dienstwagens mit Ihnen Kontakt aufnehmen werden, um Sie beispielsweise vor ver&auml;nderten Stra&szlig;enbedingungen zu warnen. Diese und andere spannende Entwicklungen in Sachen Reifen der Zukunft beschreiben wir im Folgenden.</p>

Das Rad neu erfunden

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Luftlos
Die Erfindung des Rads liegt ja bekanntermaßen schon etwas zurück, dass Reifen jedoch mit Luft gefüllt werden, ist verhältnismäßig neu. Erst 1895 verhalf Michelin dem pneumatischen Reifen zum Durchbruch. Nach nicht einmal 130 Jahren Erfolgsgeschichte könnte für den pneumatischen Reifen jedoch schon wieder die Luft raus sein. Denn einige Hersteller forschen an luftlosen Reifen. So veröffentlichte beispielsweise der genannte französische Reifenhersteller Michelin im letzten Jahr die Reifenstudie „Visionary Concept“, dieser Reifen soll gleichermaßen umweltschonend wie verschleißresistent sein– und eben auch luftlos. Reifen und Felge verschmelzen bei diesem Konzept zu einer Art Gewebestruktur, die zum Radzentrum hin dichter wird, um die Steifigkeit zu erhöhen, und zur Lauffläche hin immer grobporiger, um einen besseren Federungskomfort zu gewährleisten. Die Struktur ist Gegebenheiten aus der Natur nachempfunden und erinnert etwa an Meereskorallen. Das Reifenprofil kann ganz einfach per 3-D-Druckverfahren angepasst werden. Für den Einsatz im Offroad-Bereich oder im Winter würde man also einfach das passende Profil aufdrucken. Zudem besteht die Reifen komplett aus recycelten Materialien und ist biologisch abbaubar.

Ebenfalls luftlos unterwegs ist man mit dem Konzeptreifen Oxygene von Goodyear. Zwar wird der Reifen nicht mehr mit Luft gefüllt, aber dennoch spielt Luft eine zentrale Rolle bei diesem Konzept. Denn der Reifen soll die Luftqualität insgesamt verbessern. Dazu befindet sich Moos an seiner Seitenwand, das durch Fotosynthese CO2 abbaut und Sauerstoff freisetzt. Über das Profil nimmt der Reifen Feuchtigkeit von der Straße auf und versorgt damit das Moos. „Wie auch die Konzeptreifen, die wir in den vergangenen Jahren in Genf präsentiert haben, soll der ‚Oxygene‘ unser Denken in gewohnten Bahnen infrage stellen und der Diskussion rund um intelligente, sichere und nachhaltige Mobilität neue Impulse verleihen“, sagt Jürgen Titz, Vorsitzender der Geschäftsführung D-A-CH bei Goodyear. „Da unser aktueller Konzeptreifen zur Verbesserung der Luftqualität beiträgt, könnte er dabei helfen, die Lebensqualität und Gesundheit von Stadtbewohnern zu verbessern“, führt er weiter aus. Mit dem „Oxygene“ ließen sich so in einer Stadt von der Größe des Großraums Paris mit rund 2,5 Millionen Fahrzeugen fast 3.000 Tonnen Sauerstoff erzeugen und mehr als 4.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr absorbieren.

Urbanisierung und Umweltbewusstsein treiben auch den koreanischen Hersteller Nexen Tire an. So präsentierte dieser kürzlich auf der THE TIRE COLOGNE einen Konzeptreifen (Breathre), der ebenfalls die Umgebungsluft aktiv reinigt. Breathre enthält einen Ventilator, Filter, Propeller und LEDSensoren, mit denen der Reifen wie ein Luftreiniger funktionieren soll. Der Konzeptreifen liefere ein neues Vorbild für die Industrie, besonders in der heutigen Welt, in der die Mehrheit der Stadtbewohner verschmutzte Luft einatme, die nicht mehr den von der WHO festgelegten Normen entspräche, erklärt John Bosco Kim, Sales Marketing Director bei Nexen Europe, auf der THE TIRE COLOGNE.

Anpassbare Reifen
Neben der Pannensicherheit und dem Umweltgedanken treibt auch der Universalitätsgedanke die Tüftler der Reifenhersteller an, neue Konzepte zu entwerfen. Ein Reifen, der für jede Gelegenheit geeignet ist, dürfte wohl die meisten Autofahrer überzeugen. Dies ist wohl auch ein Grund für den Trend der letzten Jahre zum Ganzjahresreifen (siehe auch S. XX). Viele aktuelle Reifenkonzepte setzen daher genau an dem Punkt der Vielseitigkeit an. Wie schon bei den genannten luftlosen Reifen gibt es hier auch einige Gesamtkonzepte, bei denen Gummi und Felge zu einem Rad verschmelzen. Hankook stellte im letzten Jahr ein Reifenentwurf vor, mit dem es möglich sein soll, Treppen zu steigen (siehe Bild). Dieser Entwurf, Flex-up genannt, besteht aus einzelnen Speichen, an deren Ende eine kurze Lauffläche angebracht ist. Nur an der Radnabe miteinander verbunden, kann sich der Reifen so an unterschiedliche Oberflächen anpassen und beispielsweise das Treppensteigen ermöglichen. Insgesamt stellte Hankook im Zuge der letzten Pkw-IAA in Frankfurt mehrere Reifenkonzepte vor, die die Mobilität als solche in den Fokus rückten. Ziel war es, Zukunftsvisionen für eine neue Form der Bewegung zu präsentieren. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass sich Reifenhersteller längst nicht mehr nur auf die Produktion von Gummireifen konzentrieren.

Ebenfalls die Zukunft im Blick hat das Unternehmen Continental. Seit Jahren steht dieser Name nicht nur für pneumatische Bereifung für fast jedes Fahrzeug, sondern auch für die Entwicklung neuer Technologie im Fahrzeug. Dabei steht das autonome und vernetzte Fahren im Zentrum vieler neuer Entwicklungen. Warum also nicht beide Welten miteinander verbinden, dachten sich die Hannoveraner und forschen verstärkt an smarten beziehungsweise vernetzten Reifen. Hierbei geht es vor allem um zwei Entwicklungsebenen: einmal die Fähigkeit des Reifens, unterschiedliche Fahrsituationen zu erkennen (ContiSense), und einmal, darauf reagieren zu können (ContiAdapt). ContiSense basiert auf leitfähigen Gummimischungen, die den Austausch von Informationen zwischen einem Sensor im Reifen und einem Empfänger im Auto ermöglichen. Diese Sensoren sollen kontinuierlich Profiltiefe und Temperatur der Reifen messen. Werden bestimmte Grenzwerte nicht eingehalten, wird der Fahrer sofort darüber informiert. Diese Technologie soll künftig durch zusätzliche Sensoren erweitert werden. So sollen auch Informationen über die Fahrbahn wie deren Temperatur oder Schnee auf dieser künftig vom Reifen direkt erfasst und an den Fahrer weitergegeben werden können.

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Nun mag sich so mancher Fahrer denken, dass ihm die Informationen über Reifenzustand und Straßenbeschaffenheit allein nicht so viel bringen. Daher hat Continental ContiAdapt entwickelt. Diese Technologie kombiniert im Rad integrierte Mikro-Kompressoren zur Änderung des Reifenfülldrucks mit einer in der Breite einstellbaren Felge. Dadurch verändert sich die Reifenaufstandsfläche, die bei unterschiedlichen Straßenbedingungen entscheidend für die Sicherheit und den Komfort sein kann. Vier Kombinationen sollen eine bessere Einstellung auf nassem, unebenem, rutschigem und normalem Untergrund ermöglichen. Eine verkleinerte Aufstandsfläche mit hohem Fülldruck bietet beispielsweise einen niedrigen Rollwiderstand und energieeffizientes Fahren auf trockenen, ebenen Strecken. Eine vergrößerte Aufstandsfläche mit geringerem Reifenfülldruck schafft idealen Grip auf rutschigem Untergrund. Auch ist ein sehr niedriger Fülldruck von unter einem Bar einstellbar, um das Fahrzeug sicher aus tief verschneiten Parklücken oder einem Gefahrenbereich mit Blitzeis zu fahren. Beide Systeme werden durch einen Konzeptreifen ergänzt, der die Vorteile beider Technologien voll nutzbar machen soll. Er bietet ein Design mit drei unterschiedlich profilierten Bereichen für die Fahrt auf nassem, rutschigem und trockenem Untergrund. Je nach Fülldruck und Felgenmaulweite werden unterschiedliche Profilzonen aktiviert und der Reifen passt sich somit den Gegebenheiten an.

Fazit
Die diversen Konzeptreifen, die in den letzten Jahren von den Herstellern vorgestellt wurden, verdeutlichen, dass die Reifenhersteller die Entwicklung der Mobilität der Zukunft mit vorantreiben. Dabei gerät neben der Sicherheit auch zunehmend der Umweltgedanke in den Blickpunkt der Ingenieure. Zudem wird der Reifen auch zum Datensammler und fügt sich so in vollständig vernetzte Fahrzeugkonzepte ein. Insofern scheint es doch möglich zu sein, das Rad neu zu erfinden.

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