Bonusmeilen und Compliance
Kaum ein Urteil hat in der Geschäftsreisebranche in den vergangenen Jahren so für Furore gesorgt wie das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.04.2006, in dem der Verkaufsleiter eines Unternehmens dazu verpflichtet wurde, die von ihm erflogenen Meilen an seinen Arbeitgeber abzutreten (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.04.2006, Az. 9 A ZR 500/05).

PDF Download
Viel ist seitdem über dieses Thema in der Fachpresse geschrieben worden. Fakt ist: Bis heute besteht offensichtlich in den Unternehmen eine erhebliche Rechtsunsicherheit darüber, wie tatsächlich, rechtlich und steuerrechtlich mit Bonusmeilen umzugehen ist.
Das Urteil
Der Kläger hatte als Verkaufsleiter im Ausland seit 1993 an einem Bonusmeilenprogramm teilgenommen, wovon das beklagte Unternehmen im Jahr 2002 Kenntnis erlangte. Im Januar 2003 untersagte das beklagte Unternehmen dem Verkaufsleiter die private Nutzung der Meilen und verlangte von ihm, diese nur für geschäftliche Zwecke zu verfliegen. Gegen diese Anweisung klagte der Verkaufsleiter durch sämtliche Instanzen. Während des Prozesses war das Meilenkonto auf 350.000 Meilen angewachsen, was einem Wert von ungefähr 9.700 Euro entspricht.
Das Landesarbeitsgericht hatte die Klage des Verkaufsleiters abgewiesen; die Revision gegen das Urteil wurde ebenfalls als unbegründet abgewiesen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat das Urteil im Wesentlichen damit begründet, dass die Parteien weder eine ausdrückliche, arbeitsvertragliche Vereinbarung darüber abgeschlossen hatten, wem die Nutzung der Meilen zustand, noch bestand eine betriebliche Übung dergestalt, dass der Verkaufsleiter die Meilen ausschließlich privat nutzen durfte. Laut BAG setzt eine betriebliche Übung voraus, dass der Arbeitgeber durch die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen den Arbeitnehmern signalisiert, dass ihnen eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt wird; dadurch lassen sich Rechtsansprüche auf solche Leistungen begründen. Selbst wenn das Unternehmen als Arbeitgeber Kenntnis darüber hatte, dass einzelne Arbeitnehmer privat die erworbenen Meilen nutzen, reichte dies jedoch nicht aus, eine betriebliche Übung anzunehmen.
Auch ein Anspruch auf die erworbenen Meilen aus Auftragsrecht stand dem Verkaufsleiter nicht zu. Im Gegenteil, vielmehr ist der Beauftragte gemäß § 667, 2. Alt. BGB verpflichtet, alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Dies schließt die Vorteile aus erworbenen Meilen mit ein. Der Arbeitnehmer soll neben der vereinbarten Arbeitsvergütung keine weiteren materiellen Vorteile aus der Arbeitsleistung erlangen.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 2/2011

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Die weiteren Ausführungen des BAG sind vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über Compliance und Corporate Governance insofern von höchst aktueller Bedeutung, da das BAG nicht verhehlt, dass mit der Gewährung von Meilen eine Vorteilsgewährung verbunden ist, die diese Leistungen sogar in die Nähe eines Vergleichs mit Schmiergeldern rückt. Denn der von der Rechtsprechung geforderte innere Zusammenhang zwischen der Diensttätigkeit des Arbeitnehmers und der Herausgabe der Zuwendung an den Arbeitgeber wird insbesondere dann angenommen, wenn die objektive Gefahr besteht, die Vorteilsgewährung könnte dazu führen, dass der Beauftragte die Interessen seines Geschäftsherrn außer Acht lässt. Im Klartext: „Eine solche Gefährdung der Interessen des Auftraggebers könnte darin bestehen, dass der beauftragte Vielflieger möglicherweise bei der Wahl der Fluggesellschaft nicht die für den Auftraggeber günstigste Wahl trifft, sondern sich von den ihm gewährten Vorteilen leiten lässt.“
Gerade das letzte Glied in der Argumentationskette des BAG hatte seinerzeit sehr viel Furore gemacht und stellt bis heute in der betrieblichen Praxis ein großes Problem dar. Fluggesellschaften versuchen mit ihren Vielfliegerprogrammen und den Rahmenvereinbarungen von zwei Seiten auf das Buchungsverhalten der Unternehmen und deren Mitarbeiten Einfluss zu nehmen – ein Unterfangen, das nicht nur von der Rechtsprechung kritisch gesehen wird.
Folgen für die Praxis
Welche Folgen ergeben sich daraus für die Praxis? Hierbei sind rechtliche, steuerrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen zu berücksichtigen.
Zuallererst ist jedoch darauf hinzuweisen, dass in der praktischen Umsetzung des Urteils des BAG bis auf den heutigen Tag in den Unternehmen ganz unterschiedliche Lösungen im Umgang mit den Meilen bestehen. Diese reichen von einer Nichtregelung beziehungsweise vom Ignorieren dieses Problems über Regelungen in Reiserichtlinien oder entsprechenden Betriebsvereinbarungen, in denen den Mitarbeitern die private Nutzung quasi als Ausgleich für den in der Regel nicht bezahlten Reiseaufwand überlassen bleibt, bis hin zu Regelungen, in denen den Mitarbeitern bis ins Detail vorgeschrieben wird, wie sie die erworbenen Meilen für berufliche Zwecke einzusetzen haben.
Folgende rechtliche Regelungen können aus dem Urteil des BAG abgeleitet werden:
1. Das Unternehmen kann als Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungs- und Direktionsrechtes anordnen, dass die erworbenen Meilen ausschließlich für geschäftliche Zwecke zu nutzen sind. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn es hierüber bisher weder in der Reiserichtlinie noch im Rahmen einer betrieblichen Vereinbarung eine Regelung zur privaten Nutzung von Meilen gab. Wichtig ist: Der Grundsatz, wonach der Arbeitnehmer alles im Rahmen einer Dienstreise Erlangte an den Arbeitgeber herauszugeben hat, betrifft auch sämtliche Entschädigungsfälle, in denen der Arbeitnehmer aufgrund der FluggastrechteVO oder dem Fahrgastrechtegesetz Entschädigungen von Verkehrsträgern erlangt hat.
2. Will sich ein Arbeitnehmer gegen die Anordnung wehren, muss er darlegen, dass eine betriebliche Übung bezüglich der Zulässigkeit der privaten Nutzung von Meilen besteht. Die Frage, ob dies der Fall ist oder nicht, kann nicht allgemeinverbindlich beurteilt werden.
3. Es besteht eine Pflicht des Arbeitnehmers bei privater Meilennutzung, dem Arbeitgeber den Inhalt der Prämienkonten in Bezug auf die dienstlich veranlassten Flüge offenzulegen. Sollte sich ein Arbeitnehmer dem verweigern, so kann ihn der Arbeitgeber abmahnen.
4. Wird in einem Unternehmen den Arbeitnehmern erlaubt, die erworbenen Prämien privat zu nutzen, so sollte dies klar geregelt sein. Der Arbeitgeber sollte sich vorbehalten, diese Regelung jederzeit ändern zu können. Bei Arbeitsverträgen mit neu eingestellten Mitarbeitern sollte im Arbeitsvertrag klar geregelt sein, wie die dienstlich erworbenen Prämien genutzt werden dürfen.
5. Das Unternehmen kann seine Arbeitnehmer verpflichten, an Bonusprogrammen teilzunehmen.
6. Die Anordnung, privat erworbene Meilen ausschließlich für dienstliche Zwecke zu nutzen, unterliegt nicht der Mitbestimmungspflicht gemäß § 87 BetrVG. Allerdings ist eine Regelung, die den Arbeitnehmern zugesteht, dienstlich erworbene Meilen privat zu nutzen, mitbestimmungspflichtig im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, da die Prämie als Lohnbestandteil gewertet werden kann.
7. Der Arbeitgeber kann nicht anordnen, dass die von einem Arbeitnehmer dienstlich erworbenen Meilen auf einen anderen Arbeitnehmer übertragbar sein müssen, da der zur Übertragung verpflichtete Arbeitnehmer damit regelmäßig gegen entsprechende Regelungen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Meilenprogramme verstoßen würde.
Steuerliche Aspekte
Werden beruflich erlangte Prämien geschäftlich eingesetzt, so hat dies keinerlei steuerrechtliche Folgen. Anders sieht es bei der privaten Verwendung aus, da hier – steuerlich betrachtet – geldwerte Vorteile als Sachbezug entstehen, die zu besteuern sind. Die Besteuerung setzt dann ein, wenn die Prämie in Anspruch genommen wird und nicht bereits zu dem Zeitpunkt, an dem die Prämie auf das Meilenkonto gutgeschrieben wird.
Das Unternehmen sollte aufgrund seiner steuerlichen Verpflichtungen die Arbeitnehmer darüber informieren, dass sie verpflichtet sind, diese Prämien dem Arbeitgeber zu melden, da dieser hierauf die Steuern abzuführen hat. Die Meldung muss sich auf den Monat beziehen, in dem die Prämie in Anspruch genommen wurde. Macht der Mitarbeiter die Angaben nicht oder nicht richtig, so hat der Arbeitgeber dies dem Betriebsfinanzamt mitzuteilen. Wie häufig solche Mitteilungen zu erfolgen haben, wird in der Praxis von den Finanzämtern unterschiedlich gehandhabt.
Übersteigen die Sachprämien pro Kalenderjahr nicht den Betrag von 1.080 Euro, so sind diese gemäß § 3 Nr. 38 EStG steuerfrei. Fluggesellschaften ist es auf Antrag möglich, gemäß § 37 a Abs. 1 EStG pauschal die Lohnsteuer für den Sachbezug mit derzeit 2,25 Prozent für den Arbeitnehmer abzuführen; hierüber sollte der Arbeitnehmer informiert werden.
Compliance
Das BAG hat in seinem Urteil vom 11.04.2006 nicht ohne Grund darauf verwiesen, dass die Gewährung der privaten Nutzung von Bonusmeilen eine gewisse Nähe zu Schmiergeldern aufweist. Es gibt seit langem im Arbeits-, Wettbewerbsund Strafrecht eine intensive Diskussion darüber, ob solche Programme womöglich den Tatbestand der Vorteilsannahme erfüllen. Vergleicht man die Werte in den heute üblichen Compliance- und Corporate Governance-Regeln, wonach nur noch so genannte sozialadäquate Zuwendungen im Wert von 30 bis 35 Euro als zulässig angesehen werden, mit den Werten, die hier bei Vielfliegerprogrammen zur Debatte stehen, dann ist offensichtlich, dass hier vom heutigen Compliance- Standard in erheblicher Weise abgewichen wird. Unternehmen sind daher gut beraten, wenn sie das Thema Bonusprogramm mit in ihre Compliance-Regeln aufnehmen, um die Schlüssigkeit ihrer Compliance-Kultur aufrecht zu erhalten.
RA Dieter Koeve
Lehrbeauftragter FH Worms, FB Touristik/Verkehrswesen
Koeve + Koeve Rechtsanwälte PartG
Hessenring 120
61348 Bad Homburg

Aktuelles Magazin
Ausgabe 2/2011

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Der nächste „Flotte!
Der Branchentreff" 2026
0 Kommentare
Zeichenbegrenzung: 0/2000