Was sagen die Sterne?
Viele Hersteller preisen Ihre neuen Modelle gerne mit den fünf Sternen von Euro NCAP an. Experten bemängeln jedoch schon länger die Aussagekraft der standardisierten Unfallsimulationen. Seit Februar gilt ein verändertes Bewertungssystem.

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Wenn Neuwagen reihenweise zu Schrott gefahren werden, handelt es sich meistens um planmäßig durchgeführte Crash-Tests. Die in Europa führende unabhängige internationale Organisation, die die Sicherheit von Pkw-Neufahrzeugen anhand simulierter Unfallsituation testet und abschließend mit “Sternen“ bewertet, ist die Euro NCAP (New Car Assessment Program). Jeder getestete Neuwagen durchläuft dabei ein standardisiertes (europäisches) Testprogramm, in dem die häu gsten vorkommenden Unfallarten simuliert werden.
Mit den ersten Sicherheitstests in Deutschland hat im Jahre 1987 der ADAC begonnen, unter dessen Mitwirkung zehn Jahre später, in Kooperation mit der Europäischen Union und anderen europäischen Verbraucher-Organisationen, die Euro NCAP ins Leben gerufen wurde. Seit diesem Zeitpunkt sind mehr als 300 verschiedene Pkw-Modelle getestet worden, um so zur Verbesserung des Sicherheitsniveaus auf europäischen Straßen beizutragen. Lagen 1996 dabei noch die meisten Bewertungen bei ein bis drei Sternen, so sind mittlerweile vier bis fünf Sterne beim Insassenschutz durchaus Standard. Die Volvo Modelle S70 und S40 waren die ersten Fahrzeuge, die bei diesen Tests die damalige Höchstwertung von vier Sternen erhielten. Ab dem Jahr 2000 konnten dann Autos, die mit seitlichen Kopfairbags ausgerüstet waren, noch in einem dritten Test punkten - dem sogenannten Pfahltest. Hier erreichte im Jahre 2001 der Renault Laguna als erstes Fahrzeug überhaupt den fünften Stern. Anfang des Jahres wurde das bisherige Euro NCAP-Bewertungsschema, bei dem der Insassenschutz, die Kindersicherheit und der Fußgängerschutz noch separat bewertet wurden, weiter modifiziert. So gibt es nun eine Gesamtbewertung, die zusätzlich einen Heck-Crash-Test und eine Bewertung der aktiven Sicherheitssysteme beinhaltet. Dies hat zur Folge, dass die Fahrzeughersteller auf eine bessere Ausgewogenheit aller Sicherheitsaspekte achten müssen und so Systeme im Fahrzeug einbauen, die Unfälle verhindern oder sogar vermeiden können. Die bisherige Sterne-Wertung ist daher mit der neuen Gesamtbewertung nicht mehr vergleichbar. Das Verletzungsrisiko bei den Crash-Tests wird weiterhin nach dem alten Punktesystem von null (sehr hohes) bis 4 Punkte (sehr niedriges Verletzungsrisiko) bewertet. Die Gesamtbewertung bei maximal 5 Sternen berechnet sich dann aus 50 Prozent Insassenschutz, 20 Prozent Kinder-Sicherheit, sowie Fußgängerschutz und Aktive Sicherheit mit 10 Prozent. Die Einzelergebnisse dürfen allerdings bestimmte Mindestanforderungen nicht unterschreiten, die bis zum Jahr 2012 sogar stufenweise verschärft werden sollen. Erreicht beispielsweise ein Fahrzeug, wie im Februar der Citroen C3 Picasso, beim Insassenschutz 81 Prozent, bei der Kinder-Sicherheit 76 Prozent, beim Fußgängerschutz 43 Prozent, aber nur 40 Prozent bei der Aktiven Sicherheit (siehe Tabellen), bekommt dieses Fahrzeug nach der neuen Bewertungsregelung trotzdem insgesamt nur vier Sterne zugesprochen.
Der Crash-Test besteht heute aus vier verschiedenen Teilen: Schutz von Insassen (36 Punkte), Fußgängerschutz (36 Punkte), Schutz von Kindern (49 Punkte) und Unfallvorbeugung durch aktive Sicherheit (7 Punkte), wie zum Beispiel durch ESP. Von diesen Bereichen ist der Insassenschutz die ausführlichste Prüfung, die sich in Front-, Seiten-, Pfahl- und Heck-Crash aufteilt. Beim Frontal-Crash (16 Punkte) prallt das Testfahrzeug dabei mit 64 km/h und mit 40 Prozent der Fahrzeugbreite (Überdeckung genannt) gegen eine feststehende deformierbare Barriere. Besetzt ist das Fahrzeug vorne mit zwei Erwachsenen-Dummies und hinten mit zwei Kinder-Dummies (gesichert in Kindersitzen), die je einem durchschnittlichen eineinhalb und dreijährigen Kind entsprechen. Beim Seiten-Crash (8 Punkte) hingegen prallt eine mobile deformierbare Barriere mit 50 km/h seitlich gegen das stehende Testfahrzeug. Dabei ist die Barrieren-Mitte auf den Fahrer gerichtet. Hat das Fahrzeug volle Punktzahl beim Seitencrash im Kopfbereich erzielt, dann und nur dann erfolgt der Pfahlaufprall-Test (8 Punkte). Bei diesem Zusatztest prallt das Testfahrzeug auf einen Schlitten mit 29 km/h seitlich gegen einen senkrechten Stahlpfahl mit einem Durchmesser von 254 mm. Der Stoß erfolgt im Kopfschwerpunkt eines Erwachsenen- Dummy auf dem Fahrersitz. Aufgrund der Tatsache, dass in Europa pro Jahr über eine Million Halswirbelsäulenschäden bei Pkw-Unfällen zu verzeichnen sind, wurde außerdem ein spezieller Heck-Crash-Test in das neue Bewertungsschema mit aufgenommen. Beim Heck-Crash (4 Punkte) wird eine Unfallsituation simuliert, die einem Heckaufprall auf ein stehendes Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit zwischen 30 und 50 km/h entspricht. Dazu werden die jeweiligen Vordersitze auf einem separaten Schlitten montiert und mit Aufprallgeschwindigkeiten von 16 und 24 km/h getestet. Die Tests zur Kindersicherheit wurden bereits im Dezember 2003 eingeführt. Hier wird vor allem bewertet, wie gut die Voraussetzungen in dem jeweiligen Fahrzeug sind, dass Kinder sicher mitgenommen werden können. Die beiden letzten Bewertungskriterien sind Fußgängerschutz und aktive Sicherheit. Letzteres wurde ebenfalls im Februar mit in das Test-Programm aufgenommen, da die Unfallforschung gezeigt hat, dass Systeme wie ESP oder spezielle Warnsysteme zum Angurten, die Zahl der Unfälle beziehungsweise deren Folgen erheblich mindern können.
Fazit: Durch die Anfang 2009 eingeführten Neuerungen hat die Euro NCAP einen weiteren Schritt in Richtung mehr Sicherheit für alle am Straßenverkehr beteiligten Personen erreicht. Gerade das neue eingeführte Bewertungssystem erscheint vielversprechend, da die Hersteller jetzt noch stärker an geeigneten Gesamtkonzepten zur Verbesserung der Sicherheit arbeiten werden, wenn sie die eigenen Modelle mit den begehrten fünf Sternen schmücken wollen. Was allerdings fehlt, sind standardisierte Unfall-Simulationen zwischen ausgewachsenen SUV-Modellen mit der Klein- oder Kompaktwagen-Klasse. Denn für letztere ist die Realität oft erheblich härter als eine Crashtest-Barriere, so dass sich die Verletzungsgefahr selbst bei Insassen von aktuellen 5-Sterne Modellen deutlich erhöht.

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