Das neue Versicherungsvertragsrecht

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Der Deutsche Bundestag hat am 5. Juli 2007 die Reform des Versicherungsvertragsrechts verabschiedet. Damit wird das aus dem Jahre 1908 stammende Versicherungsvertragsgesetz (VVG) im Rahmen einer Gesamtreform den Bedürfnissen eines modernen Verbraucherschutzes angepasst. Doch auch das Fuhrparkmanagement profitiert erheblich von den Neuerungen. Von besonderer Bedeutung sind hier verbesserte Aufklärungs- und Beratungspflichten, vorvertragliche Anzeigepflichten und die Aufgabe des Alles-oder-Nichts-Prinzips.
Beratungszwang – verbesserte Beratung und Information der Versicherungsnehmer
Die Versicherer müssen künftig die Versicherungsnehmer vor Abschluss eines Vertrages besser informieren und beraten. Bei bestimmten Anlässen, beispielsweise der Kündigung von Lebensversicherungen, hat dies auch im laufenden Vertragsverhältnis zu geschehen. Dabei ist die Beratung stets auf die Wünsche und Bedürfnisse der Versicherungsnehmer abzustellen – der Rat muss also klar und verständlich erteilt werden. Außerdem muss die Beratung dokumentiert werden. Dies erleichtert dem Versicherungsnehmer im Streitfall die Beweisführung, wenn er beispielsweise den Versicherer wegen einer fehlerhaften Beratung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will. Eine „Zwangsberatung“ ist damit aber nicht verbunden. Der Versicherungsnehmer kann, wenn er bereits umfassend informiert ist oder es sich um eine einfache Versicherung handelt, auf die Beratung und deren Dokumentation verzichten. Wirksam ist dieser Verzicht jedoch nur dann, wenn er gesondert schriftlich erklärt wird und der Versicherer zuvor den Versicherungsnehmer ausdrücklich auf nachteilige Folgen des Verzichts – wie Beweisprobleme – hingewiesen hat. Dadurch wird der Versicherungsnehmer vor einem übereilten Verzicht geschützt. Die Beratungs- oder Dokumentationspflichten gelten für Vermittler entsprechend, wenn über diese ein Vertrag abgeschlossen wird. Die Verletzung von Beratungs- oder Dokumentationspflichten führt zum Schadenersatz.
Hinweis vor Abschluss auf Vertragsbestimmungen und Versicherungsbedingungen
Wie bei anderen Verträgen auch muss der Versicherer künftig den Versicherungsnehmer über die Vertragsbestimmungen und die allgemeinen Versicherungsbedingungen informieren, und zwar bevor der Versicherungsnehmer den Vertrag eingeht. In der bisherigen Praxis des sogenannten Policenmodells wurden sämtliche Vertragsunterlagen erst zusammen mit dem Versicherungsschein zugeschickt. Dies wird aber den Interessen des Versicherungsnehmers, möglichst frühzeitig und umfassend über den Vertragsinhalt informiert zu werden, nicht gerecht. Welche Informationen dem Versicherungsnehmer mitzuteilen sind, wird in der geplanten Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG Info-V) geregelt werden. Insoweit bestehen auch EU-rechtliche Vorgaben, unter anderem in der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher.

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Auch hier kann der Versicherungsnehmer darauf verzichten, vor Abgabe der Vertragserklärung über einzelne Vertragsbestimmungen und/oder die Allgemeinen Versicherungsbedingungen informiert zu werden. Dies geht auch hier nur durch gesonderte schriftliche Erklärung. Ein solcher Verzicht kann durchaus von Interesse sein, insbesondere wenn es dem Versicherungsnehmer darum geht, den Versicherungsschutz möglichst schnell zu erhalten und er keinen eingehenden Informationsbedarf hat, etwa weil der von ihm gewünschte Vertrag für ihn überschaubar ist oder er sich selbst bereits umfassend informiert hat.
Vorvertragliche Anzeigepflichten nur bei Frage des Versicherers
Eine weitere wichtige Neuerung besteht darin, dass der Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss grundsätzlich nur solche Umstände anzuzeigen hat, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat. Das Risiko einer Fehleinschätzung, ob ein Umstand für das versicherte Risiko erheblich ist, liegt damit nicht mehr beim Versicherungsnehmer. Verstöße des Versicherungsnehmers gegen die Anzeigepflicht berechtigen den Versicherer nur noch dann zum Rücktritt vom Vertrag, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat. In den anderen Fällen kann der Versicherer den Vertrag lediglich unter bestimmten Voraussetzungen mit Wirkung für die Zukunft kündigen oder die Fortsetzung zu anderen Bedingungen verlangen. Der Versicherer muss seine Rechte innerhalb einer Ausschlussfrist (drei Jahre in der privaten Krankenversicherung, sonst fünf oder – bei vorsätzlichem oder arglistigem Handeln – zehn Jahre) geltend machen, da eine Rückabwicklung eines Vertrages oder eine rückwirkende Anpassung nach vielen Jahren den Versicherungsnehmer unzumutbar belasten kann.
Einheitliches Widerrufsrecht – unabhängig vom Vertriebsweg
Nach dem neuen Recht können nicht nur Verbraucher einen Vertrag widerrufen. Die Widerrufsfrist beträgt zwei Wochen, bei der Lebensversicherung 30 Tage. Die Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer sämtliche Vertragsbedingungen und Informationen übermittelt worden sind; die im geltenden Recht vorhandene absolute Ausschlussfrist von einem Jahr entfällt ersatzlos.
Aufgabe des Alles-oder-Nichts-Prinzips
Die bedeutsamste Änderung für Fuhrparkbetreiber und Flottenmanager ist die Aufgabe des „Alles- oder Nichts-Prinzips“. Das heißt, künftig erhält der Versicherte auch dann anteilig Versicherungsschutz, wenn er zum Beispiel den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt. Verletzt der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss vertragliche Pflichten oder andere Obliegenheiten grob fahrlässig, bemessen sich die Folgen künftig danach, wie stark sein Verschulden wiegt. Das derzeit noch geltende Allesoder- Nichts-Prinzip wird damit aufgegeben. Bislang hat ein Versicherungsnehmer zum Beispiel keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt. Demgegenüber hat er Anspruch auf volle Entschädigung, wenn ihm lediglich einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Es gilt das Prinzip „Null oder 100 Prozent“. Nach neuem Recht bleibt es bei vorsätzlichen Verstößen dabei, dass der Versicherer von seiner Pflicht zur Leistung frei wird. Einfach fahrlässige Verstöße bleiben für den Versicherungsnehmer folgenlos. Bei grob fahrlässigen Verstößen des Versicherungsnehmers gegen Obliegenheiten kann die Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt, jedoch nicht mehr vollständig versagt werden.
Abschaffung der „Unteilbarkeit der Prämie“
Wird der Versicherungsvertrag im Laufe des Versicherungsjahres von der Versicherung gekündigt oder durch Rücktritt beendet, muss der Versicherungsnehmer künftig die Prämie auch nur noch bis zu diesem Zeitpunkt zahlen. Nach dem geltenden Recht schuldet er die volle Jahresprämie auch dann, wenn der Versicherungsvertrag nicht zum Ende der Versicherungsperiode (regelmäßig ein Jahr), sondern im Laufe des Versicherungsjahres endet.
Bedeutsam für die Versicherungsnehmer ist auch der ersatzlose Wegfall der Klagefrist. Bislang muss der Versicherungsnehmer seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung binnen sechs Monaten geltend machen, nachdem der Versicherer die Leistung schriftlich abgelehnt hat (§ 12 Abs. 3 VVG). Diese Sonderregelung, die auf eine einseitige Verkürzung der Verjährungsfrist zu Lasten der Versicherungsnehmer hinausläuft, ist nicht mehr zu rechtfertigen.
Wann kommt das neue VVG
Das Gesetz wird am 1. Januar 2008 in Kraft treten. Es wird dann für alle nach diesem Zeitpunkt geschlossenen Verträge gelten. Auf laufende Verträge, die bis zum 31. Dezember 2007 abgeschlossen werden (sogenannte Altverträge) findet bis zum 31. Dezember 2008 altes Recht Anwendung. Danach gilt auch für diese Verträge das neue Recht.
(Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 5. Juli 2007. Nähere Einzelheiten finden Sie auch in dem Beitrag „Vorteil VN“ in Ausgabe 2/2007 auf Seite 67.)
zusammengestellt von
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, Lohmar
Kontakt: kanzlei@fischer-lohmar.de
Internet: www.fischer-lohmar.de

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