Beim Unfall ja nicht dabei
Der Unfallverursacher meldet den Schaden nicht: Wie verhalten sich die Versicherer, womit muss der Geschädigte rechnen?

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Der Fall lag eindeutig – Vorfahrt genommen. Der von der Polizei Wesseling am Unfallort bestimmte Verursacher hatte am späten Vormittag, „kurzfristig durch tiefstehendes Sonnenlicht geblendet“, aus der Seitenstraße heraus den fließenden Verkehr gekreuzt und war mitschiffs gerammt worden. Der BMW-Fahrer, der den Wagen seines Sohnes ausgeliehen hatte, gestand auch sofort seine Schuld ein. Er erkannte die Unfall-Gegnerin als ehemalige Kollegin im selben Unternehmen und sicherte ihr zu, mit der Versicherungskarte seines Sohnes am Nachmittag an ihrem Arbeitsplatz, ganz in der Nähe, vorbeizuschauen. Er wisse für den Moment nur den Namen des Versicherers nicht. Am selben Abend bestätigte er in einem Telefonat noch einmal sein Vorhaben und seine Schuld. So weit, so gut, aber Verursacher und Fahrzeughalter meldeten sich tatsächlich dann nie mehr bei der Geschädigten.
Am Tag darauf fragte sie sich bis zur Kfz-Schaden- Abteilung der gegnerischen Versicherung durch und meldete den Schaden mit Unfall-Protokoll der Polizei in Anlage. Noch in derselben Woche beauftragte sie einen unabhängigen Gutachter mit der Aufnahme ihres Schadens an einem VW Golf III (gerade wieder zwei Jahre TÜV), der mit unter anderem zwei beschädigten Scheinwerfern abends nicht mehr verkehrssicher war. Der Gutachter stellte wirtschaftlichen Totalschaden fest (Reparaturkosten übersteigen Wiederbeschaffungswert). Der Versicherer meldete „um Festellung der Eintrittspflicht bemüht“ zu sein Beim Unfall ja nicht dabei Der Unfallverursacher meldet den Schaden nicht: Wie verhalten sich die Versicherer, womit muss der Geschädigte rechnen? und bat um Ausfüllung des Fragebogens für Anspruchsteller. Sie reichte entsprechend ein, zu diesem Zeitpunkt lag dem Versicherer das Gutachten in elektronischer Form schon vor. Sie bat um Überweisung „Wiederbeschaffunsgwert und Nutzungsausfallentschädigung“. Alles schien klar.
Doch dann verzögerte sich die Schadenbearbeitung wochenlang, weil der Fahrzeughalter des BMW den Unfall nicht meldete, obwohl er und sein Vater, der Fahrer, nur einige Häuser auseinander wohnten. 16 Tage nach dem Unfall schrieb die Schadenaußenstelle des Versicherers (nur 15 Kilometer entfernt): „Unsere Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen (bei eindeutigem Polizei- Protokoll, Red.). Wir benötigen noch die Schadenmeldung unseres VN, bitte gedulden Sie sich.“ Bei der Geschädigten häuften sich die Auslagen für Fahrkarten schon gegen 75 Euro, als sie 30 Tage nach dem Unfall erfuhr, dass der Fahrzeughalter des BMW an die Abgabe der Schadenmeldung „bereits erinnert wurde, wir kommen unaufgefordert auf die Angelegenheit zurück.“
Letztlich fruchtete nicht einmal die entsprechende Aufforderung per Einschreiben mit Rückschein. Als die Geschädigte nach zwei Monaten einen geharnischten Brief an die Versicherung sendet, in dem sie sich rechtliche Schritte vorbehält, erfolgt prompt die gewünschte Schadenregulierung innerhalb einer Woche! Diese Fälle, in denen der schädigende Versicherungsnehmer (oder sein Fahrer) den Schaden nicht melden, sind gar nicht so selten. Gerechterweise muss offenbar aber festgestellt werden, dass in solchen Fällen die geschädigte Person und der Versicherer des schädigenden Fahrzeugs im selben Boot sitzen. Das hat auch eine Flottenmanagement-Blitzumfrage bei Autoversicherern ergeben: Wie verhält sich der Autoversicherer, wenn sein VN als von der Polizei eindeutig bestimmter Unfallverursacher den Schaden auch nach wiederholter Aufforderung nicht meldet
So sortiert Volker Helmhagen, Abteilungsleiter SHUK-Produktförderung bei der Nürnberger Allgemeine Versicherungs-AG, zunächst einmal die Rechtslage: „Gemäß § 7 I. Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Kraf tfahrtversicherung (AKB) muss der Versicherungsnehmer (VN) jeden Versicherungsfall innerhalb einer Woche dem Versicherer schriftlich anzeigen. Die Anzeige ist entbehrlich, wenn der VN im Falle reiner Sachschaden, der voraussichtlich 500 Euro nicht übersteigt, den Schaden selbst regelt, um die Einstufung in eine ungünstigere SF-Klasse zu vermeiden. Diese Anzeigepflicht stellt für den VN eine sogenannte Obliegenheit dar.

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Wird in der Kfz-Haftpflichtversicherung diese Obliegenheit vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, ist der Versicherer gegenüber dem VN von der Verpflichtung zur Leistung frei (§ 7 V. (1) AKB). Bei grob fahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer jedoch insoweit zur Leistung verpflichtet, als die Verletzung der Obliegenheit weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles hatte (etwa, weil der Versicherer von anderer Seite über den Schadenfall informiert wurde) noch Einfluss auf den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat (d.h. trotz Nichtmeldung wurde der Umfang der vom Versicherer zu erbringenden Schadenersatzleistung nicht erweitert). Bei vorsätzlicher Verletzung hingegen ist eine Leistungsfreiheit nur dann haltbar, wenn es dem Versicherer gelingt, diesen Vorsatz nachzuweisen. Gegenüber dem VN ist die Leistungsfreiheit des Versicherers auf einen Betrag von maximal 2.500 Euro beschränkt. Bezogen auf die Abwicklung bedeutet das: Im Hinblick auf die in Deutschland bestehende Kfz-Haftpflicht- Versicherungspflicht kann der Geschädigte seine Ansprüche direkt beim Versicherer geltend machen (§ 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz PfIIVG). Die Ersatzpflicht des Versicherers besteht also trotz Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Anzeigepflicht durch den VN. Jedoch kann der Versicherer die Entschädigungszahlungen bis zum Betrag von 2.500 Euro vom VN zurückfordern. Kommt der VN dieser Forderung freiwillig nicht nach, ist damit zu rechnen, dass der Versicherer ein Mahnverfahren einleitet und den Anspruch gegebenenfalls rechtshängig machen wird.“
Dieter Engelke, Leiter der Kfz-Schaden-Abteilung bei der HDI, geht auf die Verfahrensweise eines betroffenen Versicherers und mögliche Hinderungsgründe für eine zügige Regulierung näher ein: „Man muss in solchen Fällen dem Versicherer zugute halten, dass er beim Unfall ja nicht dabei war und ein starkes Interesse an einer zweifelsfreien Aufklärung des Unfallgeschehens hat und haben muss. Wenn der Sachverhalt eindeutig zu Ungunsten unseres Versicherungsnehmers ausfällt, regulieren wir auch umgehend. Oft geht aber genau hier einige Zeit ins Land, bis die Ermittlungs- Akten, und das meint nicht das Polizei-Protokoll vom Unfallort, vorliegen. Es kann aber auch sein, dass der Versicherer auf Grund der Umstände noch gewisse, begründete Verdachtsmomente hegt und deshalb die Bearbeitung verzögert. Das erfährt dann natürlich auch der Geschädigte nicht.“
„Der betroffene Versicherer ist verpflichtet,“ ergänzt Dietmar Schieb, Abteilungsleiter Grundsätze und Betreuung bei der Gerling Car Schaden Direktion, „Einsicht in die Ermittlungs-Akten zu nehmen, er hat aber keinen Einfluss darauf, wann er die Ermittlungs-Akten bekommt. Es kann beispielsweise sein, dass die Ermittlungs-Akten von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt sind. Oder der Unfallverursacher hat einen Rechtsanwalt eingeschaltet, der ebenfalls Einblick nehmen darf. Es gibt allerdings Versicherungsgesellschaften, die in der Bearbeitung ‚nur reagieren‘. Die Rechtsprechung sieht vor, dass der Geschädigte nach Ablauf von sechs Wochen Klage einreichen kann, wenn die Regulierung bis dahin nicht erfolgt ist. Wir bei Gerling haben intern in der Schadenabwicklung eine Richtlinie vorgegeben, wonach die Bearbeitung nach vier bis sechs Wochen erledigt sein soll.“
Ute Kapper erklärt für die Zürich Beteiligungs- Aktiengesellschaft (Deutschl.): „Normalerweise muss der Verursacher den Schaden seiner Versicherung innerhalb von einer Woche melden. Passiert das nicht und die Schadenakte der Polizei klärt das Verschulden eindeutig, regulieren wir auch nach Schadenmeldung des Unfallgegners zügig und nehmen dann unseren VN als Verursacher in Regress. Das ist die normale Vorgehensweise. Allerdings gibt es immer wieder 20 bis 25 Fälle zwischen schwarz und weiß, wo viele Details nachgefragt oder ermittelt werden müssen.“

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