Befindet sich eine ältere Person in einer Lage, in der für sie nach der Lebenserfahrung aber keine Gefährdung zu erwarten ist, so braucht ein Kraftfahrer nicht allein schon wegen ihres höheren Alters ein Höchstmaß an Sorgfalt einzuhalten. Eine stärker angepasste Fahrweise war auch nicht im Hinblick darauf erforderlich, dass der Unfallgegner erkennbar im fortgeschrittenen Alter war und somit zur Gruppe der durch § 3 Abs. 2 StVO besonders geschützten Verkehrsteilnehmer gehörte. Voraussetzung einer besonderen Sorgfaltspflicht nach dieser Vorschrift ist es, dass die Person aufgrund äußerer Merkmale erkennbar einer der in der Vorschrift genannten „verkehrsschwachen“ Gruppen angehört und die Gefahr verkehrswidrigen Verhaltens vorhersehbar ist. Der besondere Schutz des § 3 Abs. 2a StVO greift ein, wenn der ältere Mensch bzw. eine andere Person aus dem geschützten Personenkreis sich in einer Verkehrssituation befindet, in der erfahrungsgemäß damit gerechnet werden muss, dass er aufgrund seines Alters das Geschehen nicht mehr voll werde übersehen und meistern können, wobei es konkreter Anhaltspunkte für eine Verkehrsunsicherheit nicht bedarf. … Befindet sich eine ältere Person in einer Lage, in der für sie nach der Lebenserfahrung aber keine Gefährdung zu erwarten ist, so braucht ein Kraftfahrer nicht allein schon wegen ihres höheren Alters ein Höchstmaß an Sorgfalt einzuhalten. Nicht jede im Blickfeld des Kraftfahrers erscheinende Person der in § 3 Abs. 2a StVO genannten Gruppen erfordert also in jedem Fall sofortige Verlangsamung, ohne dass eine Gefahr für ein verkehrswidriges Verhalten voraussehbar ist. Allein der Umstand, dass der Radfahrer in seinem Alter noch mit Pedelec und Anhänger unterwegs war, dürfte im Gegenteil dem unbefangenen Betrachter die Vermutung nahelegen, dass es sich bei der älteren Person um eine sehr rüstige und straßenverkehrstaugliche handelt.

OLG Hamm, Beschluss vom 08.03.2022, Az. 9 U 157/21